Die Sprache ist der Schlüssel, der ihrem Kind die Tür öffnet. Wenn dieser Schlüssel nicht richtig passt, kann es schwer sein, mit anderen zu interagieren. In der Regel beginnen Kinder im Alter von etwa 12 Monaten, erste Wörter zu sprechen und erweitern ihren Wortschatz bis zum Alter von zwei Jahren. Ab dem dritten Lebensjahr bilden sie meist komplexere Sätze und vergrößern ihren Wortschatz weiter. Eltern können oft bei abweichender sprachlicher Entwicklung schwer einschätzen, ob dies typisch für das Alter ist oder Ausdruck einer Sprachentwicklungsstörung. Wenn ein Verdacht besteht, ist es ratsam, sich an Fachleute zu wenden, um eine umfassende Expertise zu erhalten. Die gute Nachricht ist, dass viele Kinder mit rechtzeitiger und angemessener Unterstützung ihre sprachlichen Fähigkeiten aufholen und in vielen Fällen sogar vollständig entwickeln.

Wann spricht man von einer Sprachentwicklungsstörung?

Eine Sprachentwicklungsstörung wird diagnostiziert, wenn ein Kind signifikante Verzögerungen oder Schwierigkeiten in der sprachlichen Entwicklung aufweist, die über die normalen Entwicklungsschwankungen hinausgehen. Fachleute, wie Logopäden oder Kinderärzte, nehmen eine genaue Beurteilung vor und stellen fest, ob eine Störung vorliegt. Die Prognose variiert je nach der spezifischen Art der Sprachentwicklungsstörung.

Wie äußert sich die Sprachentwicklungsstörung?

Eine Sprachentwicklungsstörung zeigt sich in verschiedenen Formen. Dazu gehören eine verzögerte Sprachentwicklung, Schwierigkeiten beim Wortschatz, Probleme mit der Grammatik oder eine eingeschränkte Fähigkeit, Sätze zu bilden. Einige Kinder haben Hindernisse, sich verbal ausdrücken, während es anderen schwer fällt, Sprache zu verstehen. Sie orientieren sich an Informationen aus der Umgebung, an Mimik und Gestik des Gesprächspartners und an bisherigen Erfahrungen. Es gibt Kinder, denen bereitet es Mühe, die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu lernen, obwohl sie gut hören können und ebenso wie andere Kinder Sprachanregungen der Eltern und Bezugspersonen erhalten.

Probleme der Sprachverständnisstörung können auf verschiedenen Ebenen auftreten:

Lautebene

Die Lautebene bezieht sich auf die Eignung eines Kindes, Laute korrekt zu produzieren. Kinder entwickeln im Laufe ihrer frühen Jahre die Fähigkeit, verschiedene Laute zu artikulieren. Störungen auf diese Ebene äußern sich häufig in:
Unklarer Aussprache: Das Kind hat Probleme, bestimmte Laute korrekt auszusprechen, wodurch die Verständlichkeit leidet.

Lautveränderung: Einige Laute werden durch andere ersetzt, beispielsweise „Gose“ statt „Dose“.
Lautauslassungen: Laute werden weggelassen, was dazu führt, dass Wörter unvollständig klingen, beispielsweise „Da“ für „Danke“.
Auslassung unbetonter Silben: Wie beispielsweise bei „Nane“ anstelle von „Banane“.

Wortebene

Auf der Wortebene geht es um den Wortschatz und die Fähigkeit, Wörter korrekt zu verwenden. Hier können folgende Schwierigkeiten auftreten:

Eingeschränkter Wortschatz: Das Kind verwendet deutlich weniger Wörter als Gleichaltrige und hat Schwierigkeiten, neue Wörter zu lernen.
Wortfindungsstörungen: Das Kind hat Probleme, die passenden Wörter zu finden, wenn es sprechen möchte. Dies kann zu häufigen Pausen oder dem Vermeiden von Gesprächen führen.
Falsche Wortverwendung: Das Kind verwendet Wörter in einem falschen Kontext oder missversteht deren Bedeutung.
Einfache Fremdwörter wie beispielweise „reparieren“ werden vom Kind nicht verstanden.

Satzebene

Die Satzebene betrifft das Können, grammatikalisch korrekte und sinnvolle Sätze zu bilden. Hier können folgende Probleme auftreten:

Einfache Satzstrukturen: Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen neigen dazu, nur sehr einfache Sätze zu bilden und komplexere Strukturen zu vermeiden.

Grammatikalische Fehler: Schwierigkeiten bei der Anwendung von Zeitformen, Pluralformen oder der richtigen Satzstellung treten auf.

Unvollständige Sätze: Kinder verwenden häufig nur Teile eines Satzes oder lassen wichtige Satzbestandteile weg, was die Verständlichkeit beeinträchtigt.

Textebene

Die Textebene bezieht sich auf die Fähigkeit, zusammenhängende Texte oder Geschichten zu verstehen und zu produzieren. Schwierigkeiten auf dieser Ebene können sich zeigen in:

Schwierigkeiten beim Erzählen: Das Kind hat Probleme, Geschichten logisch und zusammenhängend zu erzählen, was zu Verwirrung führen kann.

Verständnisprobleme: Hindernisse beim Verstehen von längeren Erzählungen oder Anweisungen können auftreten, was die Interaktion mit anderen beeinträchtigt.

Mangelnde Textproduktion: Kindern fällt es schwer, eigene Texte zu erstellen oder schriftliche Aufgaben zu bewältigen, was sich negativ auf schulische Leistungen auswirken kann.

Kann man eine Sprachentwicklungsstörung aufholen oder gar heilen?

In vielen Fällen machen Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen Fortschritte und holen ihre sprachlichen Fähigkeiten auf. Ob eine Sprachentwicklungsstörung „geheilt“ werden kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art und Schwere der Störung, das Alter des Kindes bei Beginn der Intervention und die Art der Unterstützung, die es erhält. Hier sind einige wichtige Punkte zu berücksichtigen:

Frühzeitige Intervention

Frühzeitige Diagnose und Unterstützung sind entscheidend. Je früher ein Kind eine Sprachtherapie erhält, desto besser sind die Chancen, dass es seine sprachlichen Fähigkeiten verbessern kann. In vielen Fällen können Kinder, die rechtzeitige Hilfe erhalten, ihre sprachlichen Defizite aufholen. Eltern, die sich Sorgen wegen der sprachlichen Entwicklung ihres Kindes machen, sollten sich auf jeden Fall beraten lassen, sei es von ihrem Kinderarzt oder von einer Beratungsstelle wie Sozialpädiatrischen Zentren, Frühförderstellen, Sprachheilambulanzen oder logopädische Diensten in den Gesundheitsämtern.

Individuelle Ansätze

Die Therapie sollte individuell auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt sein. Logopäden nutzen verschiedene Methoden und Übungen, um auf die spezifischen Schwierigkeiten des Kindes einzugehen. Dies umfasst die Arbeit mit Lauten, Wortschatz, Satzstrukturen oder dem Textverständnis.

Unterstützung durch Eltern

Eltern spielen eine wichtige Rolle in der Sprachförderung und tragen aktiv zur Sprachentwicklung bei:

Fördern durch Gespräche: Sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kind und beziehen Sie es in alltägliche Gespräche ein.

Lesen oder Vorlesen: Lesen Sie gemeinsam Bücher, um den Wortschatz und das Textverständnis zu fördern. Dabei sollten Sie darauf achten, ob Ihr Kind der Geschichte folgen kann. Kennt es manche Wörter nicht, erklären Sie ihm diese und schauen Sie die Bilder dazu an. So kann es viele neue Wörter und Satzstrukturen lernen.

Spiele zur Sprachförderung: Nutzen Sie Sprachspiele, die sowohl Laut- als auch die Wort- und Satzebene ansprechen.

Langfristige Entwicklung

In vielen Fällen können Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen erhebliche Fortschritte machen und ihre Fähigkeiten verbessern. Einige Kinder erreichen die gleiche Sprachfähigkeit wie ihre Altersgenossen, während andere möglicherweise weiterhin Förderung benötigen. Es gibt auch Kindern, die anhaltende Probleme haben können, die über die Schulzeit hinaus bestehen. In einigen Fällen wird die Störung als weniger gravierend empfunden, und das Kind lernt, seine Schwierigkeiten zu umgehen.

Können Sprachentwicklungsstörungen genetisch bedingt sein?

Tritt die Sprachentwicklungsstörung isoliert auf, ohne Probleme in anderen Entwicklungsbereichen und entwickelt sich das Kind ansonsten altersentsprechend, kann es sich um eine genetische Veranlagung handeln. Studien haben gezeigt, dass Sprachentwicklungsstörungen in Familien gehäuft auftreten, was darauf hindeutet, dass eine genetische Prädisposition eine Rolle spielen kann. Hierfür spricht die Tatsache, dass bei jedem zweiten Kind in der engen Verwandtschaft jemand Probleme in der Sprachentwicklung hat oder hatte. Zusätzlich zu den genetischen Faktoren können auch Umweltfaktoren, wie die sprachliche Umgebung, soziale Interaktionen und frühkindliche Erfahrungen die Sprachentwicklung beeinflussen.

Ist eine Sprachentwicklungsstörung eine Behinderung?

Eine Sprachentwicklungsstörung wird nicht immer als Behinderung im rechtlichen Sinne betrachtet, kann jedoch die Lebensqualität und die sozialen Interaktionen eines Kindes beeinträchtigen. Im rechtlichen Rahmen, wie zum Beispiel im Sozialgesetzbuch (SGB) in Deutschland, wird eine Behinderung in der Regel als eine langfristige Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheit definiert, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben einschränkt. Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen haben Schwierigkeiten, sich mit Gleichaltrigen zu verständigen, was soziale Interaktionen und Freundschaften erschwert. Auch im schulischen Kontext werden diese Kinder mit Herausforderungen konfrontiert, die ihre Lernfähigkeit und ihr Selbstbewusstsein beeinträchtigen. Die Auswirkungen sind oft von der Schwere der Störung und der Unterstützung, die das Kind erhält, abhängig. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes zu berücksichtigen und geeignete Unterstützungsmaßnahmen zu ergreifen, um die bestmögliche Entwicklung zu fördern.

Fazit:

Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo, aber Unterstützung und Verständnis sind der Schlüssel zu einer erfolgreichen Sprachentwicklung.

Eine Sprachentwicklungsstörung kann in vielen Fällen erheblich verbessert werden, insbesondere wenn rechtzeitig und angemessen interveniert wird. Es ist wichtig, die Entwicklung des Kindes aufmerksam zu beobachten und bei Bedenken professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Indem Sie die verschiedenen Ebenen der Sprachentwicklung verstehen, können Sie gezielt auf die Bedürfnisse Ihres Kindes eingehen und ihm die Unterstützung bieten, die es benötigt.

Mit der richtigen Begleitung und Intervention können viele Kinder ihre sprachlichen Fähigkeiten erfolgreich entwickeln und im Alltag gut kommunizieren.

Weitere interessante Beiträge