Was ist eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Die PTBS ist eine psychische Erkrankung als Folge eines traumatischen Ereignisses. Sie tritt nach einem extrem belastenden Ereignis oder einer außergewöhnlich bedrohlichen Situation auf.

Was ist ein traumatisches Ereignis?

Traumatische Ereignisse

  • sind plötzlich oder unerwartet
  • schockieren
  • stellen eine existenzielle Bedrohung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit dar
  • lösen ein subjektives Gefühl intensiven Schreckens, Horrors oder von Hilflosigkeit aus

Wichtig: Die klassische Trauma Definition schließt jedoch einen Großteil der Kindesmissbrauchserfahrungen sowie andere Erfahrungen aus, von denen bekannt ist, dass sie für die betroffenen ebenso schwerwiegende Folgen haben. In der klinischen Praxis werden jedoch auch solche Ereignisse berücksichtigt, die durch die klassische Diagnostik nicht erfasst werden.

Nicht alle Menschen reagieren auf ein traumatisches Erlebnis mit einer PTBS. Die Symptome, die nach einem Trauma entstehen, sind meist eine normale Reaktion auf ein abnormales Ereignis. Nur wenn die Symptome länger als drei Monate anhalten, ist das Zeitkriterium für eine PTBS erfüllt.

Störungsbild

Menschen mit PTBS erleben Traumasymptome in verschiedenen Bereichen:

Affektive Traumasymptome

  • Die traumatische Situation wird ungewollte wieder durchlebt, dies führt zu Alpträumen und stereotypen Verhaltensweisen.
  • Patienten empfinden starke Emotionen und Übererregung was sich in unterschiedlichen Verhaltensweisen widerspiegelt. Beispielsweise verspüren Betroffene eine intensive Furcht, eine erhöhte Wachsamkeit in bestimmten Situationen oder sind leicht reizbar. Weitere Emotionen können Trauer, Schuld und Scham oder sogar emotionale Taubheit sein. Betroffene ziehen sich von ihrem sozialen Umfeld zurück und zeigen depressive Symptome.

Kognitive Traumasymptome

  • Gedankenvermeidung
    Betroffene versuchen, die Erinnerungen an das Erlebnis aus dem Kopf zu drängen. Dadurch werden die Gedanken jedoch nur noch stärker. Zur Ablenkung werden in Folge exzessive Verhaltensweisen entwickelt.
  • Grübeln
    Sich immer wiederholende und um dieselben Fragen kreisende Gedanken bzw. Rachegedanken breiten sich bei den Betroffenen aus. Beispielweise: Warum ist es passiert?
  • Kognitive Verzerrungen in Bezug auf sich und die Welt
    Patienten mit PTSB suchen oftmals bei sich selbst die Schuld und haben ein negatives Selbstbild. Der Betroffene fühlt sich wertlos und verliert im gleichen Zug das Vertrauen in sein näheres Umfeld.

Verhaltensauffälligkeiten bei PTBS-Patienten

  • Vermeidungsverhalten
    • Meiden von Erinnerungen, Gesprächen oder Orten
    • In schweren Fällen Entwicklung von emotionaler Taubheit oder Dissoziation
  • Sozialer Rückzug
  • Aggressives oder sexualisiertes Verhalten
  • Selbstverletzendes Verhalten
    • Reaktion auf unerträgliche Schmerzen und Verzweiflung
  • Substanzmissbrauch
    • Dient der Symptomkontrolle (Gedanken und Gefühle unterdrücken)
  • Vermeidung altersentsprechender Interaktionen
  • Bei Kindern: Verlust bereits erworbener Fähigkeiten

Alarmreaktion im Gehirn bei PTBS: Was passiert während eines Traumas?

Während eines Traumas wird eine intensive Alarmreaktion im Gehirn ausgelöst. Diese Reaktion wird hauptsächlich von der Amygdala, einer Struktur im limbischen System, gesteuert.

  1. Wahrnehmung der Bedrohung:
    Das Gehirn erkennt eine potenzielle Gefahr oder Bedrohung durch die Sinne (z. B. durch Sehen oder Hören). Die Amygdala, das Zentrum für emotionale Verarbeitung, reagiert sofort.
  2. Alarmzustand:
    Die Amygdala signalisiert anderen Teilen des Gehirns, besonders dem Hypothalamus, dass Gefahr besteht. Dies aktiviert die „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion des Körpers.
  3. Stresshormone werden freigesetzt:
    Der Hypothalamus aktiviert das sympathische Nervensystem und löst die Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol aus. Diese Hormone bereiten den Körper darauf vor, schnell zu reagieren, indem sie z. B. den Herzschlag erhöhen, die Muskeln anspannen und die Atmung beschleunigen.
  4. Hippocampus und präfrontaler Kortex:
    Der Hippocampus, der für das Gedächtnis verantwortlich ist, und der präfrontale Kortex, der für rationale Entscheidungen zuständig ist, können in ihrer Funktion eingeschränkt werden. Dies bedeutet, dass die normale Verarbeitung und Speicherung von Informationen beeinträchtigt wird, was zu fragmentierten Erinnerungen und emotionaler Überforderung führen kann.
  5. Überleben steht im Vordergrund:
    Das Gehirn priorisiert das Überleben und schaltet rationale, bewusste Denkprozesse herunter. Dies erklärt, warum Menschen in traumatischen Situationen oft impulsiv oder automatisiert handeln, ohne bewusst darüber nachzudenken.

Traumatische Erinnerungen: Kaltes und heißes Gedächtnis

Das Konzept des „kalten“ und „heißen“ Gedächtnisses beschreibt, wie traumatische Erinnerungen in verschiedenen Bereichen des Gehirns gespeichert und verarbeitet werden. Diese Unterscheidung hilft zu verstehen, warum traumatische Erinnerungen oft fragmentiert, emotional geladen oder schwer zu integrieren sind.

Kaltes Gedächtnis (explizites Gedächtnis):

Funktion: Das kalte Gedächtnis ist für die bewusste, rationale Verarbeitung von Informationen verantwortlich. Es umfasst das explizite Gedächtnis, das Fakten, Ereignisse und zeitliche Abfolgen speichert, die willentlich abgerufen werden können.

Speicherort: Vor allem im Hippocampus und den mit ihm verbundenen Bereichen des Gehirns wird das kalte Gedächtnis verarbeitet.

Merkmale: Informationen im kalten Gedächtnis sind präzise, chronologisch und in der Lage, ohne intensive emotionale Reaktionen erinnert zu werden. Es ist das „neutrale“ Gedächtnis, das uns ermöglicht, über vergangene Ereignisse zu sprechen, ohne emotional überwältigt zu werden.

Bei Traumata kann das kalte Gedächtnis beeinträchtigt sein. Der Hippocampus wird durch die Stresshormone in seiner Funktion gehemmt, wodurch das Ereignis oft nur bruchstückhaft oder gar nicht bewusst abgespeichert wird.

Heißes Gedächtnis (implizites Gedächtnis):

Funktion: Das heiße Gedächtnis bezieht sich auf das implizite oder emotionale Gedächtnis, das stark mit emotionalen und körperlichen Reaktionen verbunden ist. Es speichert intensive emotionale Erfahrungen und Körperreaktionen, die unbewusst abgerufen werden.

Speicherort: Hauptsächlich in der Amygdala verarbeitet, dem Gehirnareal, das emotionale Reaktionen wie Angst und Panik steuert.

Merkmale: Erinnerungen im heißen Gedächtnis sind emotional aufgeladen, fragmentarisch und nicht in einen zeitlichen Kontext eingebettet. Sie werden oft in Form von intensiven, körperlichen Reaktionen (z. B. Herzrasen, Zittern) oder Flashbacks wiedererlebt, ohne dass die Person das Gefühl hat, die Situation zu kontrollieren.

Assoziatives Gefühlsnetzwerk

Normalerweise arbeiten das heiße und kalte Gedächtnis eng zusammen und wir können Ereignisse aus unserer Erinnerung abrufen, ohne zu bemerken, dass wir auf zwei unterschiedliche Systeme zurückgreifen. Bei der Erinnerung an traumatische Ereignisse ist das Zusammenspiel des kalten und heißen Gedächtnisses hingegen gestört.

Während eines Traumas wird das explizite, kalte Gedächtnis oft beeinträchtigt, weil der Hippocampus durch Stress überlastet ist. Gleichzeitig ist die Amygdala überaktiv, was dazu führt, dass das Trauma emotional und körperlich im heißen Gedächtnis gespeichert wird. Dies erklärt, warum Menschen mit Trauma oft Schwierigkeiten haben, das Ereignis klar zu erinnern oder zu beschreiben (kaltes Gedächtnis), während sie jedoch intensive emotionale und körperliche Reaktionen zeigen, wenn sie an das Ereignis erinnert werden (heißes Gedächtnis).

Die Inhalte des heißen Gedächtnisses werden in Form eines assoziativen Gefühlsnetzwerkes gespeichert. Diese enthält verschiedene Elemente

  • Sensorisch
  • Kognitiv
  • Emotional
  • Physiologisch

Die Elemente des Netzwerks sind miteinander verbunden. Die Aktivierung eines Elements führt zu der Koaktivierung anderer Elemente und Erinnerungen. Fehlende Verbindung zum „kalten“ Kontext führen zu einem „hier und jetzt“- Gefühl, als würde sich das Ereignis nochmal ereignen.

Heiße und kalte Gedächtnisinhalte stehen in einer „gesunden Erinnerung“ nicht isoliert nebeneinander, sondern sind miteinander verknüpft.

Die Aktivierung eines Elements, also z.B. die Erinnerung an das erste blaue Fahrrad, kann zu Koaktivierung anderer Elemente des Netzwerks führen (zum Beispiel „ich lebte in meiner Geburtsstadt“)

➔ Die durch das Trauma veränderte Gedächtnisstruktur ist gekennzeichnet durch:

  • Enge Verbindungen zwischen heißen Elementen
  • Stabile Verbindungen
  • Viele Reize
  • Leicht aktivierbar
  • Keine Verbindung zwischen heißen und kalten Inhalten

Beispiel für ein Gefühlsnetzwerk bei sexuellem Missbrauch:

Sie riecht etwas, das sie an den Geruch des Atems ihres Vaters (der sie sexuell missbraucht hat) erinnert: Die Aktivierung des sensorischen Elementes führt zu der Aktivierung des gesamten Gefühlsnetzwerks, während keine Verbindung mit den kalten Kontextinformationen vorliegt z. B. Angst, Herzrasen, Zittern, „es wird wehtun“.

Inhalte des kalten Gedächtnisses wären z. B.: „es passierte kurz nach meinem 11. Geburtstag“, „kurz vorher war ich aus der Schule gekommen“.

Der Psychiater – Experte für die Behandlung psychischer Erkrankungen

Der Schlüssel zur Heilung liegt in der Aufarbeitung des traumatischen Erlebnisses. Nur wenn das kognitive Wissen und das emotionale Erleben wieder in Einklang gebracht werden, können die Qualen der Vergangenheit überwunden werden. Hier kommt der Psychiater ins Spiel, der mit seiner medizinischen Expertise und psychotherapeutischen Erfahrung genau der richtige Ansprechpartner ist. Ein Psychiater hat zunächst ein Medizinstudium absolviert und sich anschließend in einer mehrjährigen Facharztausbildung zum Psychiater weiterqualifiziert. In dieser Zeit eignet er sich neben umfassenden medizinischen Kenntnissen auch psychotherapeutische Fähigkeiten an.

Der Psychiater kann dann gemeinsam mit dem Patienten die Diagnose einer PTBS stellen und die geeignete Behandlung einleiten – sei es durch Psychotherapie, Medikamente oder eine Kombination aus beidem.

Wichtig ist, dass Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und nicht versuchen, die belastenden Symptome alleine zu bewältigen. Mit der richtigen Unterstützung kann eine Posttraumatische Belastungsstörung in den meisten Fällen effektiv behandelt werden.

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